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Thomas Dollinger


 

(6. Januar 2015) Seltsame Rollstuhlplätze

Gemeinsam mit einer Freundin wollten wir heute ins Kino. Nein, nicht in irgendeinen Film, sondern in diesen Stephen Hawkings Film „Die Entdeckung der Unendlichkeit“. Schließlich ist Stephen Hawking auch an ALS erkrankt. Dieser Kinobesuch stand ganz oben in meiner „Das-will-ich-in-diesem-Urlaub-machen-To-Do-Liste“ und musste aufgrund der Wetterlage von uns schon zweimal verschoben werden. Heute ging es endlich los. Nach Jahren mal wieder ein gemeinsamer Kinobesuch. Da wir ja nicht doof sind und die Kinoplätze für Rollstuhlfahrer sehr begrenzt sind, reservierten wir uns einen Rollstuhlplatz und zwei Plätze daneben übers Internet im Kino. Auf ging es mit meinem Mann und seinem High-Tech-Elektro-Rollstuhl, unserem VW Bus und unserer Freundin. Überpünktlich reihten wir uns in die Schlange der Wartenden ein, mit viel Vorfreude, Popcornduft in der Nase, der Reservierungsnummer der bestellten Karten und mit gezücktem Schwerbehindertenausweis. Da konnte ja nichts mehr schiefgehen. Die nette junge Frau an der Kasse wollte die Karten drucken, meinte aber: „Oh, der Film läuft ja in Kino 1“.  Ich fragte sie, wo denn das Problem sei, worauf sie meinte, dass der Aufzug nicht nach unten fahre. Ich erkannte die Problematik immer noch nicht, da ich ja intelligenterweise den Rollstuhlplatz online reserviert hatte. Sie meinte, dass sie da bisher immer ein paar starke Mitarbeiter geholt haben, um den Rollstuhlfahrer nach unten zu tragen. In dem Moment erkannte auch ich das Problem! Und ich glaube, mir ist in diesem Moment alles aus dem Gesicht gefallen. ES GIBT ROLLSTUHLPLÄTZE IN EINEM KINOSAAL, DER EIGENTLICH NICHT MIT DEM ROLLSTUHL ZUGÄNGLICH IST!!! Ich lehnte dankend ab, da mein Mann mitsamt dem Rollstuhl nirgendwo hingetragen wird, da 1. der Rolli mit Mann zu schwer und 2. zu teuer ist, um ihn fallen zu lassen. Sie hat versucht, eine schnelle Lösung zu finden, bot uns Karten für einen Alternativfilm an, was wir aber wirklich nicht wollten und hat sich natürlich entschuldigt und uns Gutscheine geschenkt. Sie hat mir auch erklärt, welche Kinosäle wirklich barrierefrei erreicht werden können. Die Kinomitarbeiterin war wirklich sehr nett und hilfsbereit, hat auch gleich die Problematik weitergeleitet und die ganze Situation war ihr wirklich sehr unangenehm. Thomas hat übrigens die ganze Zeit gelacht, weil er die Situation mal wieder urkomisch fand.

Also noch mal die Kurzfassung zur Erklärung der Tragik:

-          ALS Kranker will in einen Film über einen ALS Kranken.

-          Geht nicht, weil der reservierte Rollstuhlplatz nicht mit Rollstuhl erreichbar ist!

 

Noch mal ein paar kurze Anmerkungen meinerseits zum Thema RollstuhlfahrerInnen:

Ich sitze nicht im Rollstuhl und kann die Situation von RollstuhlfahrerInnen nicht annähernd nachvollziehen. Es gibt aber ein paar Dinge, die ich weiß oder gelernt habe: RollstuhlfahrerInnen sitzen im Rollstuhl, weil sie in der Regel nicht weit, sehr schlecht oder gar nicht laufen können. Im Falle meines Mannes kann ich sagen, dass er gar nicht laufen kann und einen gelben Ball im Gesicht hat, weil er damit den Rollstuhl steuert. Er kann sich also auch nicht im Rollstuhl bewegen oder festhalten. Im Falle meines Mannes bedeutet der Rollstuhl größtmögliche Freiheit und ein Stück Selbstständigkeit.

Ich gehe soweit zu behaupten, dass sich kein/e RollstuhlfahrerIn im Rollstuhl gerne tragen lässt! Weil man ja im Notfall nicht herausspringen kann oder sollte! Also liebe Architekten und Planer von Kinos, Gaststätten… liebe Programmierer von allen möglichen Plattformen, auf denen man online Tische, Karten für RollifahrerInnen… reservieren, bestellen oder wie hier sogar kaufen kann. Wer meint, einen Rollstuhl problemlos tragen zu können, sollte dies mal probieren (nicht mit meinem Mann). Es macht keinen Spaß, einen Fuß, der eine Streckspastik hat, plötzlich im Gesicht zu haben oder zu merken, dass 250 kg Rollstuhl nicht gefahrlos getragen werden können, wenn man nichts zum anheben hat. Das Wort „Rollstuhl“ ist meiner Meinung nach eigentlich selbsterklärend! Sonst hieße der Stuhl „Tragstuhl“ oder Sänfte! Und denkt doch einfach mal an die MitarbeiterInnen, die Euren Schlamassel ausbaden müssen, denen solche Situationen peinlich sind, die den Unmut der RollifahrerInnen ausbaden müssen! Danke

Daniela Stöcker-Dollinger

 

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